PD Dr. Jens Wolff

Systematische Theologie
und Religionsphilosophie
Theologische Fakultät
Universität Rostock
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»Geschichtstheorie als Deutungsmachtkonflikt«

Was meint historische Deutungsmacht von systematischer Geschichtsheorie? Und was bedeuteten Geschichtstheorien der Historik als Deutungsmacht von Systematik? Diese anscheinend überkreuz liegende Relation von Geschichte und System lässt sich analysieren anhand von Deutungsmachtkonflikten zwischen systematischen und historischen Feldern.
Nur als ein Beispiel: Spätestens seit Euseb von Kaisareia, dem Historiker und Theologen, wird Vergangenheit vor dem symbolischen Horizont einer Kulturtheologie formuliert. Erst in zweiter Instanz war Euseb Geschichtstheoretiker und Genealoge: Er verstand Geschichts- als Logostheorie. Was aber sind die Präfigurationen der systematischen Deutungsmacht dieser Geschichtstheorie – im Blick auf finale Kulturwelten oder ›Christentümer‹?
Kardinal Caesar Baronius († 1607) deutete und urteilte (ganz) anders über Euseb als Kirchenvater: Er traute ihm zu, mit dieser Konstruktion und als Person die Unwahrheit zu sagen. Verstanden als (simulierte, symbolische oder tatsächliche?) Kulturtheologie wird ›Geschichte‹ zur Sensation – jedoch erst in der Retrospektive auf ein Überzeugungs- und Symbolsystem – nicht als ›erlebte‹ Geschichte. Die altkirchliche bzw. barocke Konstellation kann daher als ein diachrones Verstehensmodell für das Entstehen und Vergehen symbolischer Deutungsmacht verstanden werden. Eusebs eigenes Geschichtsbild und Baronius’ Distanzierungspathos bleiben ein Konfliktfeld von ›Deutungsmacht‹.
Weitere Schwerpunkte von »Geschichtstheorie als Deutungsmachtkonflikt« gelten dem Streit um die sog. ›Posthistoire‹ seit dem 19. Jhd. und der Transformation von Gegenstandsbereichen genealogischen Arbeitens im Rahmen interkultureller sowie außereuropäischer global history (nach und ohne Hegel bis Fukuyama/Derrida: Marx’ Gespenster). Lassen es diese Transformationen als fraglich erscheinen, ob ›wir‹ in Welt- und Geschichtsdeutung verläßlich zu Hause sind (work in progress)?