Sönke Pöppinghaus

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Zwischen Konflikt und Konsens: Über die Dynamik der spätmodernen Demokratie

Die Allgegenwärtigkeit des Konflikts scheint für pluralistisch verfasste Gemeinwesen angesichts der permanenten spätmodernen Sinnvielfalt, die sich aus ökonomischen, sozialen und kulturellen Differenzen nährt, ohne Ausweg. Selbstverständlich ist die gegenwärtige normative Demokratietheorie reich an Vorstellungen, die die zahlreichen Antagonismen des Politischen unumwunden zu eliminieren wissen. Die normative Bedeutung und Wünschbarkeit einer deliberativen Demokratietheorie, die unter dem normativen Telos der Verständigung versucht die dem Politischen genuin eigenen Interessengegensätze und Prozesse des Machtkampfs zu überwinden, bleibt unbestritten. Doch die prinzipielle Annahme, dass Interessengegensätze in einem herrschaftsfreien Raum konsensuell überwindbar sind, führt letztlich doch zu der Konsequenz, dass der grundlegend unüberwindbare antagonistische Konflikt aus der Welt der deliberativen Demokratietheorie verbannt bleibt.
Die Idee der agonalen Demokratietheorie hingegen betont gegenüber deliberativen Ansätzen, dass der antagonistische Konflikt als konstitutives Moment des Politischen, Motor der gesellschaftlichen Integration und als Garant für eine dynamische Demokratie, die das Gewicht politischer Macht anerkennt, notwendig ist. Diese Annahmen sind jedoch nicht so grundlegend neu, wie uns mache Strömung gegenwärtiger radikaler Demokratietheorie glauben machen wollen. In ihrer einseitigen Betonung des Moments des politischen Streits verkennen diese Ansätze die dunkle spaltende Seite der sich streitenden Zivilgesellschaft. Aus historisch-soziologischer Perspektive besteht begründeter Anlass anzunehmen, dass politische Konflikte auch eine negative Seite aufweisen, die sich zerstörerisch und zersetzend auf Gesellschaften und deren politischen Ordnungen auswirken können und somit nicht einseitig zu verharmlosen sind. Angesichts der gewalttätigen Geschichte des Politischen und dessen Ordnungskonflikten scheint die Annahme zutreffend, dass auch die agonale Demokratietheorie ohne eine Art politischen „Metakonsens“, der dem Streit enthoben ist, nicht bestehen kann.
Die verschiedenen Formen und Intensitäten des politischen Konflikts und dessen Verhältnis zu einer Form des „Meta-Konsens“ umreißen somit das Problemfeld meiner Arbeit. Es soll der Ahnung nachgegangen werden, dass in den gegenwärtigen hochpluralisierten Gesellschaften die fundamentalen politischen Legitimationsprinzipien einer Ordnung weder allein von einem tradierten Bestand unverfügbarer Werte abgerufen werden können noch sich durch irgendwelche Arten von Verfahren generieren lassen. Es scheint vielmehr – bis zu einem gewissen Grad –  die Permanenz des politischen Streits zu sein, die verbindet. Die Formulierung des „gewissen Grads“ lässt die erkenntnisleitende Frage meines Projektes in den Vordergrund treten: Existieren ein benennbarer Grad und zu unterscheidende Konfliktformen des Politischen, die anzuzeigen vermögen, wann ein Konflikt gesellschaftlich integrierend und die Demokratie stärkend wirkt und wann hingegen eine politische Streitsache die Gesellschaft zu zerreißen droht und die demokratische Ordnung destabilisiert?
Diese Fragen können nicht nur allgemein und abstrakt entschieden werden. Ergänzend zu grundlegenden theoretischen Reflexion über das Spannungsverhältnis von Konflikt und Konsens bedarf es weitergehender konkreter nationaler Einzelfallstudien, die die interdependenten Wechselwirkungszusammenhänge, welche zwischen der demokratischen Gesellschaftsordnung und den für sie typischen Konflikten bestehen, untersuchen.

Forschungsinteressen

  •  Politische Theorie und Philosophie
  •  Politische Soziologie
  •  Theorien und Geschichte der Moderne
  •  Theorien der Gesellschaft
  •  Figuren des Politischen
  •  Wissenschafts-und Technikgeschichte/-Philosophie